Los 5516

Germinal
Germinal

Schätzung
60.000€ (US$ 64,516)

Abgabe von Vorgeboten möglich

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Lot 5516, Auction  123, Germinal, Germinal

Germinal: Album de XX Estampes Originales. Hrsg. von Julius Meier-Graefe (1867-1935).
Inhalt und 20 Blatt verschiedene Techniken (Lithographie, Radierung, Holzschnitt). Gr.Folio. Lose Blatt auf Orig.-Untersatz mit geprägten Künstlernamen montiert in OHLwd-Klappmappe (Kanten und Ecken bestoßen, fleckig, Risschen). Auflage 100 Ex. 1899.

Nachdem der Kunstkritiker Julius Meier-Graefe 1895 in Berlin zusammen mit Julius Bierbaum, Edvard Munch, Richard Dehmel und Weiteren die Zeitschrift Pan gegründet hatte, diese aber wegen unüberwindbarerer Meinungsverschiedenheiten bereits bei der Erstellung des ersten Jahrgangs wieder verließ, siedelte er nach Paris über, um dort die künstlerische Leitung des Salons de l’Art Nouveau zu übernehmen. Wenig später gründete er seine eigene Zeitschrift, L’Art Décoratif, die er in einer französischen als auch einer deutschen Ausgabe herausgab. Bereits im Eröffnungsheft skizzierte er programmatisch seine Vision: Das Kunsthandwerk als eine Form von industrialisierter Kunst zu etablieren und Art Nouveau als einen radikalen künstlerischen Neuanfang zu positionieren, der sich bewusst gegen den rückwärtsgewandten Historismus richtete. Vergleichbare Tendenzen waren zu dieser Zeit auch in anderen Teilen Europas, beispielsweise in Wien mit der Gründung der Zeitschrift Ver Sacrum zu beobachten.
In L’Art Décoratif kündigte Julius Meier-Graefe die Eröffnung seiner eigenen Galerie, La Maison Moderne, in Paris an, „ein am nächsten den Münchner Werkstätten verwandtes Unternehmen, einer Vereinigung von Künsten zu kommerziellen Zwecken (Dekorative Kunst, 2. Jg. Sept. 1899, S. 215).
Um die Maison der Öffentlichkeit vorzustellen, gab Julius Meier-Graefe die Mappe Germinal mit 20 Druckgraphiken in einer Auflagenhöhe von 100 Exemplaren heraus. Sein Fokus auf das Medium der Druckgraphik traf den Nerv der Zeit, es ging um die Demokratisierung der Kunst. Die Druckgraphik bot die Möglichkeit, die Werke bedeutender Künstler zu vervielfältigen und so einem breiteren kunstbegeisterten Publikum zugänglich zu machen.
Dass Julius Meier-Graefe in dieser Mappe ein Neudenken der ästhetischen Auffassung von Kunst und die Ausweitung des Kunstbegriffes auf das Kunstgewerbe im Sinne des Gesamtkunstwerks zu repräsentieren versuchte, verdeutlicht auch die Wahl des Titels Germinal - eine Anspielung auf den gleichnamigen sozialkritischen Roman Émile Zolas. Als Germinal wird zudem der siebte Monat des republikanischen Kalenders der Französischen Revolution bezeichnet, er ist Sinnbild für einen Neuanfang, einen Zeitpunkt, an dem etwas zu wachsen beginnt. So beschreibt es auch Gustave Geffroy in seiner Einleitung zum Mappenwerk: „Je n’avais qu’à présenter cette manifestation de talents venues de tous les points de l’Europe, de Hollande, de Belqique, de Suisse, d’Allemagne, d’Espagne, de France, sous cette belle enseigne de GERMINAL qui dit le renouveau, qui appelle l’avenir « les récoltes du siècle futur » annoncées par Zola […].“
Aufwendig gestaltete Julius Meier-Graefe diese Mappe: Außen mit marmoriertem Papier umschlagen, zeigen die Deckelinnenseiten ein ornamentales Muster in sattem Gelb, gebildet aus dem Monogramm der Maison, das Georges Lemmen entwarf. Vereint sind bedeutende Künstler der Zeit: Pierre Bonnard, Félix Vallotton, Auguste Renoir, Max Liebermann, Peter Behrens, um nur einige zu nennen. Gemeinsam war ihnen die Wiederentdeckung der Druckgraphik als künstlerisches Ausdruckmittel.
Die Graphiken nicht in der Mappe verstauben zu lassen, sondern sie gleich einem Gemälde eingerahmt an der Wand zu präsentieren, war sicherlich im Sinne Julius Meier-Graefes, führte aber auch dazu, dass die Blätter über die Jahrzehnte nicht zusammenblieben.
Vollständige Mappen sind daher von aller größter Seltenheit. Umso bemerkenswerter ist es, dass unser Exemplar in seiner ursprünglichen Konzeption vollständig vorhanden ist. Dieser Umstand ist der Bremer Sammlerfamilie Wolde und ihren Erben zu verdanken, in deren Besitz die Mappe von Anfang des 20. Jahrhunderts bis heute geblieben ist.
Es mag überraschen, aber im Bremen der Jahrhundertwende entwickelte sich wie in den Metropolen Berlin, München, Wien, Paris eine Kunst- und Kulturlandschaft, getragen durch die finanzstarke Kaufmannschaft Bremer Unternehmerfamilien und dem progressiven Direktor der Bremer Kunsthalle Gustav Pauli. Neben einem der berühmtesten Sammler, Alfred Heymel, waren „Leopold Biermann und das Ehepaar Wolde die bedeutendsten, was den Umfang und die Qualität der Sammlung betraf“ (Hansen Dorothee, „... Die Solide Modernität: Bremer Sammler nach der Jahrhundertwende: Heymel, Biermann, Wolde” in: Die Moderne und Ihre Sammler, Hrsg. Andrea Pophanken, Felix Billeter, Berlin 2001, S. 186).
Johann Georg Wolde (1845-1911), Bankier und Teilhaber des Bankhauses J. Schultze & Wolde, und seine Ehefrau Adele Wolde (1852-1932), Tochter des Baumwollkaufmanns und Gründers der russischen Webwarengroßindustrie Ludwig Knoop, legten den Fokus - ganz im Sinne Gustav Paulis - auf Künstler des Impressionismus und der Moderne, wie Gustave Courbet, Paul Cézanne, Vincent van Gogh, Max Liebermann, Wilhelm Trübner, John Constable und Weitere.
Angeregt durch Gustav Pauli, beauftragte Johann Georg Wolde 1907 Max Liebermann, ihn zu porträtieren. Im Jahr 1909 folgte als erstes Frauenporträt Liebermanns überhaupt Adeles Porträt als Gegenstück (vgl. Abb.). Der Künstler schrieb 1909 an Pauli: „heut Nachmittag besuchten mich Wolde’s und Ende Februar wird Frau Wolde’s Porträt <steigen>. Ich freue mich sehr darauf, da ich glaube etwas daraus machen zu können […]. Überhaupt wächst sich Bremen zu einer festen Burg des Impressionismus aus, […]“ (Zitat aus: Hansen, Op. cit, S. 197).
Nach dem Tod des Ehemanns führte Adele die Sammlungstätigkeit mit ihrem Sohn Ludwig Wolde, Jurist aber vor allem Humanist und Schriftsteller fort. Der Sammlungsschwerpunkt veränderte sich und wird im Bereich des französischen Impressionismus und Spätimpressionismus ausgebaut (Hansen, Op. cit, S. 198). Über die Sammlung ist man dank Ausstellungen und Rezensionen gut informiert. Einige Werke sind heute in der Bremer Kunsthalle zu sehen.
Beraten wurde die Sammlerfamilie Wolde nicht nur durch Gustav Pauli, sondern auch durch Julius Meier-Graefe. Dies wird in einer Erzählung Ludwigs deutlich, in der er von seiner ersten Begegnung mit dem Kunstkritiker, um 1906/07, berichtet: „Mein Vater, von ihm [Meier-Graefe] und Rudolf Alexander Schröder beraten, hatten eben mit seiner Bildersammlung begonnen, und so wurde auch der Sohn bei ihm eingeführt“ (Zitat aus: Hansen, Op. cit. S. 196). Dass Julius Meier-Graefe der Familie im Allgemeinen nahestand, lässt die Tatsache vermuten, dass er mehrmals einige Zeit auf dem Landsitz der Woldes, der Villa Schotteck in St. Magnus residierte, wo er auch an seinem Buch über Van Gogh arbeitete (Hansen, Op. cit. S. 196). So ist auch anzunehmen, dass Meier-Graefe ein Exemplar des Germinals direkt nach dessen Erscheinen 1899 dem Ehepaar Wolde übergab und dieses bis heute in Familienbesitz verblieb.
Das Mappenwerk ist ein eindrückliches Zeugnis der druckgraphischen Ausdrucksmöglichkeiten und spiegelt in seiner Konzeption die Kunstgesinnung um die Jahrhundertwende wider. Es steht exemplarisch für vorliegenden Sonderkatalog und ist in seiner Originalität und Einheit bisher einmalig auf dem Kunstmarkt vertreten.
In der Mappe enthalten, teils mit dem Blindstempel des Maison Moderne:
1. Pierre Bonnard: Le Verger. Farblithographie. 33 x 35 cm. Signiert. (1899). Bouvet 56.
2. Frank Brangwyn: La joueuse de flute. Farblithographie, 29,8 x 20 cm. Signiert und nummeriert „63“.
3. Eugène Carrière: Maternité. Lithographie, 40 x 31,8 cm. Signiert. Delteil 38.
4. Edgar Degas, nach: Tänzerin. Farblithographie von Auguste Clot. 47 x 37,4 cm. In der Platte bezeichnet „Facsimile d’après Degas A. Clot lith.“ Nach einer Pastell- und Kohlezeichnung Degas, die sich heute in der Kunsthalle Bremen befindet.     
5. Maurice Denis: Nymphe couronnée de pâquerettes. Farblithographie. 56 x 44 cm. Signiert und nummeriert “88“. (1899). Cailler 121.
6. Vincent van Gogh, nach: Ernte in der Provence. Farblithographie von Emil Rudolph Weiss. 44 x 43,5 cm. Signiert von Weiss „ERWeiss“ und nummeriert „04“. Die Farblithographie reproduziert ein Aquarell, das sich wohl 1899 in Meier-Graefes Besitz befand (vgl. Auktion Sotheby’s, 24. Juni 1997, Los 7).
7. Henri de Toulouse-Lautrec: Promenoir. Farblithographie. 44,7 x 35 cm. Monogrammstempel des Künstlers (Lugt 1338) und schwer leserlich nummeriert „79 [?]“. (1898). Delteil 290, Wittrock 307, Adriani 315. Sehr selten.
8. Max Liebermann: Lesendes Mädchen. Lithographie. 30 x 24 cm. Signiert. Schiefler 41a.
9. Auguste Renoir: Jeune Femme en Buste (Mlle Diéterle). Lithographie. 53,2 x 40,1 cm. Nummeriert „69“. Delteil-Stella 26.
10. Auguste Rodin, nach: La douleur. Farblithographie von Auguste Clot. 34,5 x 18 cm. Monogrammiert und nummeriert „63“.
11. Theo van Rysselberghe: Sur la jetée. Farblithographie. 24,5 x 42 cm. Monogrammiert und nummeriert „59“. Feltkamp E-1899-004.
12. Arthur Max Stremel: Le repos. Farblithographie. 45 x 37 cm. Nummeriert „61“.
13. Jan Toorop: De Zaaier“ (Der Sämann). Farblithographie. 23,3 x 37 cm. Signiert und nummeriert „62“. (1895). Boon 16 IIb.
14. Jean Eduard Vuillard: Le Jardin devant l’atelier. Farblithographie. 63 x 48 cm. Signiert und unleserlich nummeriert „90[?9]“. Roger-Marx 45 II.
15. Paul Gauguin: La femme aux figues. Radierung in dunklem Grün. 26,5 x 44,3 cm. (1894). Nummeriert „63“. Mongan/Kornfeld/Joachim 25 I C (von III).
16. Alfredo Müller: Trois femmes. Farbradierung. 44 x 44 cm. Signiert und nummeriert „63“. Koehl E88.
17. Ignacio Zuloaga: Trois Espagnoles. Radierung. 26,5 x 21 cm. Signiert und nummeriert „70“.
18. Peter Behrens: Schmetterlinge auf Seerosen. Farbholzschnitt im Oval. 50 x 60 cm. Signiert und nummeriert „62“.
19. Georg Minne: Die Taufe Christi. Holzschnitt. 61 x 50 cm. 1899. Signiert und nummeriert [?] „99“.
20. Felix Vallotton: La Symphonie (Misia Natanso, Alfred Cortot, Edouard Vuillard). Holzschnitt. 21 x 26 cm. (1897). Signiert und nummeriert “72“. Vallotton-Goerg 186. Dargestellt sind hier die Pianistin Misia Natanso sowie Alfred Cortot mit Brille und Edouard Vuillard.
Ganz ausgezeichnete bis prachtvolle, teils harmonisch und satte Abzüge mit Rand bzw. mit Schöpfrand. Insgesamt etwas angestaubt, vereinzelt schwach gebräunt sowie entlang des montierten Randes leicht gewellt, einige Blätter etwas stockfleckig, andere mit nur vereinzelten Stockfleckchen bzw. Fleckchen im weißen Rand, weitere kleine Handhabungsspuren, sonst in schöner bis sehr schöner Erhaltung. Allesamt auf den originalen Untersatzpapieren montiert, diese bis auf Nr. 6 Van Gogh unbeschnitten mit dem Maß 75,4 x 60 cm, Randläsuren, wie kleine Risschen, Knickspuren sowie bestoßene Eckspitzen, in den Eckspitzen teils je ein Nadellöchlein, insgesamt gebräunt sowie schwach stockfleckig, verso je mit original Seidenpapier, dieses brüchig und teils eingerissen oder mit Verlusten. In dieser Originalität und Vollständigkeit außergewöhnlich selten, wir konnten lediglich ein weiteres vollständiges Exemplar in der Bibliothèque National de Paris nachweisen.

Provenienz: Sammlung der Familie Wolde, Bremen.
Seitdem in Familienbesitz.


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